Der Besuch stand unter keinem guten Stern. Erstens war es bei der Abfahrt in Amsterdam nur noch 5 Grad Celsius. Zweites wurden daraus im Garten selber 4 Grad. Und drittens fuhr ich zuerst nach Appeldorn anstatt Appeltern. Offenbar war ich in einer Sache ziemlich sicher: um Äppel sollte es im Namen irgendwie gehen. Eigentlich erstaunlich, dass sich die Kalifornische Smartphoneschmiede gleichen Namens noch nie markenrechtlich gegen die auffällige Häufung ihres Namens in Holland gewehrt hat …
Aber zurück zum letzten Gartenbesuch des Jahres. Soll man wirklich Mitte Oktober noch Gärten und Parks besuchen? Die Antwort ist: Ja, auf jeden Fall, das Farbenspiel lohnt in den meisten Fällen einen Besuch, aber es dürfte schon ein bisschen wärmer sein.
War es aber nicht.
Irgendwann sind wir endlich da. Nicht ganz alleine. Auf dem Parkplatz stehen ca. 10 Fahrzeuge. Der Weg zum Eingang führt um den halben Park herum, eigentlich Zeit genug, um sich an das widerständige Wetter zu gewöhnen, sich etwas warmzulaufen. Dann nach Eintritt und Durchgang durch Restaurant und Shop befinde ich mich im zentralen, wohl auch älteren Bereich des Gartens, in den Mustergärten. Auf dem Plan sieht es ganz geordnet aus, aber draussen im Herbstgarten fühle ich mich wie im Labyrinth. Ja nicht die Orientierung verlieren, weil zurück zum Restaurant und zur wärmenden Suppe müssen wir unbedingt finden! Überleben ist auch bei Gartenbesuchen nicht ganz unwichtig.
Gärtchen an Gärtchen aneinandergereit, aber auch Zwischen- und Quer- und Spiralwege, man verliert sich in den Gärten. Auch mit Karte. Das ist wohl der Preis, den man für die permanente Benutzung des Navis zahlt. Und auch Navis führen ja bekanntlich nicht immer zum richtigen Ziel.
Man verliert sich aber auch in den einzelnen Gärten, weil sie meist in sich geschlossen sind, von Hecken umgeben, auf dass der eine Garten dem anderen nicht in die Quere komme. Man fühlt sich so ein bisschen wie in Holländischen Neubausiedlungen, in denen der Begriff des verdichteten Wohnens wohl erfunden worden ist.
Warum um Gottes Willen müssen da überall Abtrennungen und Hecken sein, warum darf ich von einem Garten nicht zum nächsten sehen? Warum darf ein Garten nicht auch von der Perspektive des nächsten Gärtleins profitieren?
Ich weiss, dass ich mit diesen verzweifelten Fragen nach heckenlosen Gärten ziemlich allein auf weiter Flur bin. Hecken werden gepflanzt en masse. Menschen lieben Hecken. Menschen verstehen meist nicht, dass sie mit Hecken nicht nur andere aussperren, sondern sich auch selber einsperren.
Aber natürlich gelten bei einem Park wie Appeltern, der ja vor allem auch Gartenideen für Hobbygärtner vermitteln will, mildernde Umstände: Wie gesagt hat er sich nach der Mehrheit zu richten und darüber hinaus werden die einzelnen Mustergärten ja auch als in sich geschlossene Beispiele gezeigt und verkauft. Also braucht es wohl Hecken … Und selbstverständlich sind auch die einzelnen Designs vielfach interessant, stecken immer voll von brauchbaren Ideen, nicht wenige Gärten entwickeln gerade jetzt, mit den Farben des Herbstes, ihren ganz speziellen Charme. In vielen Gärten gibt es jetzt darüber hinaus wunderschöne reduzierte Apfeldekos, floristische Fingerübungen mit den Äpfeln und Quitten des Herbstes.
Vielleicht bin ich darum etwas ungerecht mit Appeltern, weil ich hart mit mir selber sein muss. Weiter, sich nicht verloren geben im Labyrinth der Heckengärten, weiter, zum nächsten, ah den habe ich schon gesehen, oder auch nicht, grob versuchen, eine Richtung einzuhalten, und dann endlich weitet sich die Gartenlandschaft doch noch, es gibt auch offenere Designs: Sehr schöne und grosse, in die Landschaft hineinweisende mixed borders, selbstverständlich mit vielen Gräsern, wie könnte es im Lande Piet Oudolfs auch anders sein. Dann auch die etwas grosszügiger angelegten, wohl nur für dieses Jahr gezeigten Konzeptgärten zum Van Gogh Jubiläum. Wie immer bei Konzeptgärten stellt sich die Frage, ob sie lustig, gut oder gar schön sind (mindestens eins von allem sind sie sicher). Aber letztlich sind sie eben genau das, was ein Konzept ist: Ein uneingelöstes Versprechen.
Dann plötzlich befinde ich mich ganz am Rande des Parks, blicke in die leere, fast schon winterliche holländische Landschaft, in der Ferne rechts ein Mastbetrieb, sonst alles nur leer und flach und grau an diesem Tag. Dass sich bei einer solchen Landschaft ein Gartendesigner den Präriegräsern verschreiben könnte, leuchtet ein! Aber vielleicht ist noch viel logischer, dass man da Hecken haben möchte. Der Mensch braucht Bretter vor dem Kopf. Bei uns sind es die Berge, hier sind es … Hecken. Und leider sind es bei uns meist Hecken und Berge.
Selbstverständlich tue ich dem Garten hier unrecht. Frierend und verloren in einem Labyrinth kann man einen Garten, auch einen Herbstgarten nicht geniessen. Ich sehe zwar, was da ist, aber ich kann es nicht wahrnehmen. Allerhöchstens fotografieren.
Womit klar ist, was ich schon der Gerechtigkeit halber unbedingt tun muss: Ich muss im Frühling oder Sommer wieder nach Appeltern, in guter Laune und bei schönem Wetter, offen für die unzähligen Ideen, die die Gärten von Appeltern zu bieten haben.
In einem Punkt aber täuscht mein erster Eindruck wohl nicht: Appeltern ist kein Garten der Gärten, kein Park der Gärten. Es sind einfach Gärten und zwar unglaublich viele davon. Und da werde ich mich halt irgendwann mit den Trennhecken abfinden müssen. Vielleicht kann ich auch so etwas wie Heckenblindheit entwickeln. Könnte überhaupt sehr nützlich für mich sein.
Bevor ich’s vergesse: Die Suppe war sehr gut!
Website: www.appeltern.nl