Wie schmecken denn eigentlich die blauen Honigbeeren, die blauen Heckenkirschen, die wir Erstbeeren® und andere gerne auch Maibeeren nennen? Die Frage ist gar nicht so einfach zu beantworten, wie sie gestellt wird. Liest man sich durch die gartenbauliche und auch obstbauliche Literatur, so muss man feststellen, dass Geschmacksbeschreibungen meist mehr oder weniger geschickt auf Gemeinplätze ausweichen. Der Grund: Ganz einfach, um einen Geschmack, ein Aroma beschreiben zu können, muss man die Beeren gegessen haben. Und man muss sich gerade live, oder doch bald nach dem Esserlebnis Notizen gemacht haben. Das ist auch der Hauptgrund, dass ich gerne Degustationen in Videoform mache, live etwas esse und gleich darüber rede, ganz ähnlich wie bei einer Weinverkostung. Was nicht sofort und unmittelbar in Worte gefasst wird, ist gleich weg, so definitiv verloren wie der Wein bald einmal getrunken sein wird. Wenn Sie überlegen, ob Sie Blaue Honigbeeren kaufen sollen, finden Sie in unserem Gartenshop verschiedene Sorten für Ihren Garten.
Hören wir zunächst einmal, zum Spass, die Beschreibung im Blick (siehe Artikel “Der Blick und das Bild zur Superfrucht”), der das übrigens gar nicht so ungeschickt macht, die RHS zitiert, dadurch stark auf Autorität macht und auch ehrlicherweise gar nicht vorgibt, dass irgendein Redakteur je einmal so eine blaue Honigkirsche gegessen haben könnte:
"Geschmacklich werden die Früchtchen als würzige Mischung zwischen Blaubeere und Himbeere beschrieben – das klingt durchaus geniessbar. Die Londoner Royal Horticultural Society, eine Organisation, die sich ganz der Pflanzenwelt verschrieben hat, schlägt vor, die blaue Heckenkirsche einfach so als Snack oder auch in Form von Konfitüre zu essen." (>> Honeyberry)
Übersetzt heisst das: Ja, sie sind essbar! Aber das mit der Mischung von Heidelbeere und Himbeere ist dann schon ziemlich abstrakt …
Wie also schmecken die blauen Honigbeeren, die viel gelobten blauen Heckenkirschen? Kann überhaupt schmecken, was so gesund sein soll?
Erstbeeren schmecken zunächst einmal sauer, nicht sehr sauer, nur ziemlich sauer. Aber niemand würde sie auf den ersten Biss als süss beschreiben.
Ob sie wie Heidelbeeren schmecken? Eigentlich nicht … aber die blaue Fruchtfarbe macht diese Assoziation auch für mich fast unausweichlich. Obwohl das von der Farbe vorvollzogene Geschmackserlebnis dann doch nicht eintritt. Vielleicht hängt damit auch die leichte Enttäuschung zusammen, die zumindest den Anfang der degustativen Beschäftigung mit Erstbeeren kennzeichnet. Kaum hat die erste Farbe – Blau – dann doch nicht zum erwarteten Erlebnis geführt, lenkt einen der wirkliche Geschmack schon auf die nächste Farbe: GRUEN. Nicht wirklich giftig-grasig, aber vielleicht so, wie ein grünes Hölzchen schmeckt, wenn man es in den Mund nimmt und leicht anbeisst. Erdig, rindig grün.
Also sauer und grün.
Wobei: Als ich gerade beim Filmen war, voll in Fahrt meine Eindrücke schilderte, womöglich auf Englisch die richtigen Worte suchte, kam ein Auto am unserem Zuchtfeld vorbei und hielt an. Und ich hielt inne – zwangsweise. Zwei Kollegen und Freunde. Mein Anwalt auf dem Beifahrersitz und als Fahrer der Chef des Landwirtschaftsamtes des Kantons St. Gallen. Woherauchimmer. Warumauchimmer. Und natürlich kredenzte ich den unverhofften Gästen gleich ein paar Erstbeeren und zu meiner Überraschung beurteilten sie sie viel besser, viel milder als ich: "Gut und fruchtig, erfrischend" hörte ich. Ein Anwalt und guter Weintrinker müsste es ja eigentlich wissen, dachte ich und kehrte zu meinen Beeren zurück. Immerhin hatte es sich nicht selten gelohnt, auf meinen Anwalt zu hören?
Und wirklich: Je reifere Beeren ich pflückte, je mehr ich mich an den Geschmack gewöhnte, umso mehr lernte ich, die Qualität wahrzunehmen und auch verschiedene Qualitäten zu unterscheiden: Bei purpurrot durchgefärbten Beeren, die sich ganz weich anfühlen und die nur noch mit einem sagenhaften Härchen am Strauch hängen, da ist dann doch auch gefühlt und nicht nur gemessen etwas Zucker feststellbar, der grüne Ton weicht zurück und der Gesamteindruck wird … ja sorry, mir fällt auch kein besseres Wort dafür ein: fruchtiger, runder, im Weinsprech würde man es wohl ‘süffiger’ nennen. Tendenziell scheinen auch die spätreifenden Sorten Blue Moon und Blue Sea besser oder eben fruchtiger zu sein als die frühere Sorte Blue Velvet. Und die Erstbeeren, die auf die japanischen Lonicera zurückgehen, sind ihrerseits etwas besser und weniger sauer als die Maibeeren, die auf russische Herkunft zurückblicken… Je nach Standort der Maibeeren und je nachdem wie viel Sonne sie bekommen, ist der Geschmack natürlich leicht verschieden.
Wobei das natürlich alles Nuancen sind: Zunächst sind und bleiben die Beeren sauer. Mit einem Grünton, der mit zunehmender Reife und zunehmendem Zucker ins Angenehme abschmilzt.
Und jetzt? Jetzt warte ich geduldig darauf, bis der erste Sommelier einen Wein, wenn möglich einen Blauburgunder aus einer überschätzten Rotweinlage nördlich der Alpen, mit Erstbeeren beschreibt. Noch lange nicht alle Früchtchen haben es so weit gebracht.