Als ich das Buch "Baumheilkunde" von Renato Strassmann vor einigen Wochen das erste Mal gesehen hatte, dachte ich zunächst, dass es sich hierbei um einen Ratgeber handeln würde, der uns erklärt, wie wir mit kranken Bäumen umzugehen haben, von denen jeder Gartenbesitzer vermutlich mehrere auf seinem Anwesen zu stehen hat. Schnell wurde mir aber klar, dass der Leser auf den 440 Seiten darüber erfährt, wozu das überaus wortkarge Lebewesen Baum eigentlich in der Lage ist, wenn es mit der menschlichen Gesundheit eben nicht so funktioniert, wie es normalerweise sein sollte, auf welche Weise er sich genau genommen in unser gesamtes Leben ungefragt hinein tief verwurzelt und zum Initiator einer ungemein nützlichen Mensch-Baum-Beziehung wird. Mitunter eine sehr eingleisige und ziemlich eigennützige Romanze, wenn wir schon im zarten Kindesalter unsere Kletterkünste am knorrigen alten Apfelbaum im Garten austesten, es manchem zeitgenössischen Städter an Engagement fehlt, seinem Strassenbaum vor der Haustür an Hitzetagen einen Eimer Wasser zu spendieren oder wir ihn im Regenwald tausendfach umhauen, weil sich aus Mahagoni, Teak und Palisander besonders edle Gartenmöbel fabrizieren kann.
Vielleicht hilft ein Buch dabei, um die Sinne für dieses grossartige Geschenk der Natur zu schärfen, das weit mehr ist, als ein Rohstoff für die Möbelindustrie. Nur dazu müsste es jeder lesen, was der Schweizer Autor Renato Strassmann da in seinem neuen Ratgeber über die Baum- und Strauchwelt, unsere hölzernen Begleiter und heilsamen Beschützer der Menschheit, herausgefunden hat. "Baumheilkunde - Heilkraft, Mythos und Magie der Bäume", erschienen im österreichischen Freya Verlag aus Linz erhellt unser Wissen um die Nützlichkeit und Heilkraft des lebendigen Wesens Baum, das in unserer zeitarmen und hoch technisierten Gesellschaft zu oft in Vergessenheit gerät.
In 42 ausführlichen Einzelporträts präsentiert uns der heute in Österreich lebende Drogist und anerkannte Kräuterspezialist alle wichtigen Fakten darüber, was Mythos, Heilkraft und die Magie der Bäume anbelangt, darunter vieles, was den meisten Menschen so bisher vermutlich nicht bekannt gewesen s´ein dürfte. Darunter befinden sich auch alte Bekannte aus dem Garten, wie zum Beispiel Feigenbaum, Rosskastanie, Olivenbaum, Holunder sowie Apfel-, Birnen- oder Kirschbaum, die nicht wie bei uns im Shop oder den Beiträgen unseres Gartenbuchs entsprechend ihrer gärtnerischen und ertragsmässigen Aspekten, sondern nach einem einleitenden geschichtlichen Abriss bezüglich ihrer Bedeutung für die medizinische und volksheilkundliche Anwendung behandelt werden. Erzählt werden uns auch Geheimnisse über solche Bäume, denen wir auf unserem Waldspaziergang oder den Ausflügen durch den Stadtpark begegnen. Von den reifen Arvennüsschen der Zirbelkiefer zum Beispiel, die frisch oder geröstet als echte kulinarische Kostbarkeit in der gesunden Küche gelten oder dem Schwarzdorn, aus dessen Beeren sich blutreinigende und stoffwechselanregende Limonaden, Tees oder Säfte zubereiten lassen, mit denen schon Generationen unserer Vorfahren ihre Haut- und Erkältungskrankheiten, Verstopfungen sowie Magenkrämpfe erfolgreich und auf natürliche Art bekämpft haben. Und je weiter man in diesem Buch liest, wächst die Erkenntnis, dass im Grunde eigentlich jeder Baum in irgendeiner Weise ganz besonders ist. Nützlich sowieso und nicht nur als willkommener Schattenspender, nahezu mystisch, wie unsere gute und ehrwürdige Eiche, unter deren Baumkronen schon die alten Römer und später auch die Germanen ihre Gerichtssitzungen abhielten (und die Urteile gleich mit vollstreckten!) oder die immergrünen Buchsbäume, deren Zweige selbst heute noch am Palmsonntag kirchlich gesegnet werden, um anschliessend Haus und Hof vor Blitzschlägen und Krankheiten zu schützen.
Dabei hat jedes der Einzelporträts über die Bäume und Sträucher das gleiche Konzept, wodurch das gesamte Buch angenehm übersichtlich und sehr leserfreundlich organisiert ist: Botanische Klassifizierung, Vorkommen und Herkunft, einen interessanten Abriss zum Aussehen und dem Anbau, der historischen Bedeutung sowie der Anwendung der einzelnen Bestandteile in den unterschiedlichen Bereichen der Volksheilkunde (Heilpflanzenbeschreibungen, esoterische und pflanzenastrologische Optionen, Baumheilkunde) und schliesslich Verwendungsmöglichkeiten in der gutbürgerlichen bzw. alternativen Küche. Nicht lehrmeisterhaft, wie wir es vielfach von Lexika und aus Fachbüchern gewohnt sind, sondern neugierig machend und auffällig emotional aufbereitet, wie es eben nur jemand schafft der selbst mit wachen Augen und Offenheit durch die Natur geht, sie liebt und sich Wald und Flur letztendlich respektvoll zunutze macht. Fernab einer übermässigen Propagierung von Taoismus und Zen-Buddhismus, aber durchaus mit der Sichtweise früherer Kulturen, die der heilenden Wirkung der Natur einen hohen Wert zuschreiben. Unglaublich eindrucksvoll, wenn wir nur an unseren guten alten Edelkastanienbaum denken: Wächst relativ schnell auf bis zu 20 Meter Höhe, um dann - über viele Jahrhunderte hinweg - ausschliesslich in die Breite zu gehen. Während unsere Esskastanie Belle Epine von Lubera nur vier bis fünf Jahre braucht, lassen sich die in Parks und an Strassen stehenden Exemplare bis zu 25 Jahre Zeit, bis sie (auch "Brotbäume" genannt) ihre ersten Früchte hervorbringen. Der bekannte Schweizer Forstwirtschaftler Karl Kasthofer berichtete schon 1828, dass der Kastanienbaum von "den Bäumen das für den Landmann seyn könnte, was die Erdäpfel unter den Stauden. Die Kinder werden den Vater segnen, dem sie den Baum verdanken, der ihnen Brotfrucht verschafft." Und allein, was sich so alles aus den Früchten der Edelkastanien in der Küche verwenden lässt: Kastaniennudeln und -brot, gebratene Kastanien oder Kastaniensuppe - ein Baum, von dem aber nicht nur die Früchte, sondern auch Rinde, Holz und Blätter für allerlei gesundheitsfördernde Wirkstoffe weiterverarbeitet werden können. Wie Sie aus dem Mehl der reifen Kastanien Paste für schmerzlindernde Umschläge herstellen und warum die Blätter von Kastanienbäumen ausgezeichnet bei Bronchitis, Keuchhusten oder Hautkrankheiten helfen, verrät Ihnen dieses Buch ebenso, wie die verschiedenen Verwendungsmöglichkeiten vieler anderer Bäume, an denen wir mitunter jahrelang achtlos vorübergehen. Sie sollten es kaufen, auch weil Sie nicht nur viele nützliche Informationen über den Walnussbaum im Stadtpark nebenan, sondern auch zu den Obstbäumen in Ihrem Garten bekommen.
Der reich illustrierte und mit zahlreichen attraktiven Farbfotos ausgestattete Ratgeber ist direkt beim Verlag für versandkostenfreie 29,80 Euro erhältlich, einen 44-seitigen Blick ins Buch gibts hier schon gratis.