Letztes Wochenende war ich in England, dieses Mal mit dem eigenen Auto, um noch einmal Pflanzen von der Insel zu retten - eine Art umgekehrte Arche Noah. Wer weiss, ob in Zukunft noch Pflanzen durch den Kanaltunnel und auf die Fähren gelassen werden? Passenderweise besuchte ich in Südengland auch einen Walled Garden, später noch eine Walled Nursery. Speziell zwar, aber wunderschön. Eine ganze Welt geschützt im eigenen Garten. My home ist my castle - als Garten. Natürlich weiss ich, dass es auch mikroklimatische und ökonomische Gründe für die Verbreitung der Walled Gardens in England gab…
Das Problem ist nur, dass aktuell immer mehr Menschen und vor allem der international verbreitete Stamm der Agrarbürokraten das Heil in Walled Gardens suchen, also die Natur und den Garten einschliessen möchten. Das hat Tradition, wenn auch nicht eine allzu lange. Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts forderte ein Herr Marlatt im National Geographic drastisch den Bau eines Chinese Wall (Chinesische Mauern scheinen bei Amerikanern ziemlich beleibt zu sein, gerade 30 Jahre nachdem wir sie in Europa mal vorläufig niedergerissen haben) gegen unerlaubt einwandernde Pflanzen und Tiere. Pennsylvania will in diesen Tagen - jetzt! - über 60 Pflanzen verbieten, die europäische Union führt ab nächstem Jahr für alle Pflanzen den Pflanzenpass ein.
Endlich, das war ja längst überfällig, möchte man da ausrufen. Wie kann es sein, dass sich Pflanzen einfach frei bewegen können, Seuchen und Krankheiten und Unruhe in unsere nationale Natur bringen! Auch den Fluchthelfern gehört endlich das unvölkische Handwerk gelegt. Wir wollen echte amerikanische, schweizerische, englische, deutsche, zur Not und ausnahmsweise auch europäische Pflanzen.
Zugvögel werden mit Reiseverboten belegt, für Insekten gilt ein Nachtflug- und Grenzübertretungsverbot, auf einige von diesen nur schwer zu kontrollierenden Kreaturen können wir auch gut und gerne verzichten. Wir haben jetzt ja die nationalen und heiligen Bienen, die in jeder Regierungserklärung und in jeder Zeitung stehen, das wird ja wohl reichen.
Was, neue fremde Pflanzen wollen sich mit unserem reinen Pflanzenerbe vermischen? Das soll die Diversität fördern? Ja bitteschön, dann wollen wir halt eben keine Diversität, wir wollen Natur und Garten, wie sie immer schon waren! Mischehen müssen endlich auch bei Pflanzen verboten werden.
Meine Damen und Herren, kommen wir zum Schluss. Im Ernst jetzt: Ich fordere einen Walled Garden, eine einsame Insel für Agrarbürokraten. Auf eine Mauer zwischen den Nationalitäten können wir hier verzichten, da sie eh bis zur Unkenntlichkeit identisch sind.
Und Sie, meine Damen und Herren, fordere ich auf, zu pflanzen, was das Zeugs hält. Bald könnte es, bald wird es zu spät sein.
Schliesslich ist Frühling. Nicht nur Pflanzen, auch der ganz normale Wahnsinn treibt seltsame Blüten.
Pflanzen Sie, pflanzen Sie…